Mit der Waldstraßenbahn

ins geheimnisvolle Mittelgebirge

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Das Mittelgebirge um Ampass, Aldrans und dem Goldbichl zählt mit Sicherheit zu den mystischsten Landschaften Tirols. Die sanften Hügel und glitzernde Seen am Fuße des mächtigen Patscherkofel und vor dem spektakulären Panorama der Nordkette, beeindruckten schon vor Jahrtausenden die Menschen der Steinzeit. Deren steinerne Zeugen sind heute noch zu finden.

Schon vor Jahrtausenden liebten und pflegten die Menschen den Handel. Die Tatsache, dass zum Beispiel Bernstein über weite Distanzen von der Nordsee bis nach Ägypten gelangte, machte Wege durch die damals sehr gefährlichen Alpentäler und -pässe, unumgänglich. Ein riesiges Problem tat sich damals auf: wie konnten sich Händler und Reisende in der lebensfeindlichen Umwelt des Hochgebirges orientieren? Eine befriedigende Antwort auf diese Frage konnte die Archäologie bis heute nicht geben. Ich bin sehr sicher, dass schon demnächst ein kleiner Zipfel dieses Geheimnisses - zumindest für die Wege von Innsbruck nach Süden - gelüftet werden kann.

Schalensteine im südlichen Innsbrucker Mittelgebirge als Wegmarkierungen

Es sind Steinplatten mit schalenförmigen Vertiefungen, die den Menschen der Steinzeit die Orientierung gewiesen hatten. Diese halbkugelförmigen Vertiefungen wurden mit einfachsten Mitteln in teils härtesten Granit gebohrt. Solche Steine werden ‚Schalensteine’ genannt. Die Frage ist nun: welche Botschaften wurden auf den Schalensteinen hinterlassen? Oder war es doch nur ein Zeitvertreib für die Menschen damals zu dokumentieren, dass man auch mit sogenannten ‚primitiven Mitteln‘ härtesten Stein bearbeiten kann?

Gemeinsam mit drei Kollegen arbeite ich seit längerer Zeit an einer Kartierung und Dokumentierung dieser Schalensteine im südlichen Innsbrucker Mittelgebirge. Wichtiger noch: wir sind dabei, die Botschaften dieses ‚Schalensteinrätsels‘ zu entschlüsseln. Denn die scheinbar chaotisch in Steinplatten eingearbeiteten Schalen sind meist Hinweise auf örtliche Gegebenheiten. So verweisen sie zum Beispiel auf Höhlen oder Seen.

Eine Erkenntnis können wir schon belegen: Schalensteine findet man an alten, prähistorischen Wegen. Es besteht ein statistisch untermauerter direkter Zusammenhang zwischen archäologisch vermuteten alten Wegen und den Fundorten von Schalensteinen. Mit anderen Worten: Sie waren mit Sicherheit eine Art ‚Wegweiser‘ der Vorzeit.

Der Schalensteine von Tantegert und Aldrans


Am Innsbrucker ‚Paschberg‘ zwischen Wilten und Vill-Igls-Lans-Aldrans finden sich zahlreiche Schalensteine. Es scheint gesichert, dass die Handelswege von Wilten in Richtung Süden zuerst über den Paschberg geführt haben.

Für all jene, die sich für diese mystischen Steine interessieren, beschreibe ich jetzt eine Route, die zu den Fundorten der größten zwei Schalensteine führt. Dazu nehmen wir die Waldstraßenbahn, mit der wir bis zur Station Tantegert fahren. Hier finden wir einen der flächenmäßig größten Schalensteine und das auch noch direkt neben der Waldstraßenbahn.

Vom wunderbar-romantischen ‚Bahnhöflein‘ Tantegert spazieren wir in Richtung des Waldmoores. Der Schalenstein erscheint nach der Überquerung der Bahngeleise - bitte Vorsicht - schon nach wenigen Metern als kleiner Hügel links des Weges in Richtung des Moores. Die vielen kleinen Schalen scheinen auf den ersten Blick wie auf den Stein ‚hingeworfen‘, sind jedoch ein Hinweis auf das Moor, das sich bereits seit der ausgehenden Eiszeit an dieser Stelle ausbreitet. Wenn man weiß, welche Bedeutung Moore als ‚Zwischenwelten‘ zwischen Wasser und Erde für die prähistorischen Menschen hatten versteht man, weshalb sich hier ein Schalenstein befindet.

Von hier aus geht’s dann weiter zur Kirche in Aldrans. Entweder mit der Waldstraßenbahn bis zum Bahnhof Aldrans oder zu Fuß auf dem Wanderweg.

Wie eng uralter Kult und unser christlicher Glaube verflochten sind ist an jenem Stein zu sehen, auf dem der Kirchturm der Martinskirche von Aldrans steht. Eine Gedenktafel erinnert hier an einen jener mutigen Menschen, die sich dem verbrecherischen Nazi-Regime entgegen gestellt hatten: Christoph Probst war Student in Innsbruck und Mitglied der Widerstandsgruppe der ‚Weißen Rose‘ um Sophie Scholl. Er wurde am 22.2.1943 von den Nazis ermordet.

Die Vorderseite dieses Steines ist mit Schalen übersät. Auffallend vor allem das ‚Kanälchen‘, dass sich quer über die Steinoberfläche zu einer großen Schale zieht. Ob diese große Schale prähistorischer Natur ist kann nicht gesagt werden. Die kleineren Schalen geben mit großer Wahrscheinlichkeit einen Hinweis auf heilkräftiges Wasser in der Nähe.

Die Rückfahrt kann wiederum vom Bahnhof Aldrans aus nach Innsbruck erfolgen.

Viel Spaß beim Entdecken. Euer Werner Kräutler
 
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